17.07.2016
Sechs Uhr klingelt der
Wecker. Draußen ist`s noch dunkel, oder bewölkt, oder beides. Keine Ahnung, die
Äuglein wollen einfach nicht richtig aufgehen. Kalt ist es auch, also ziehe ich
nochmal die Bettdecke über den Schädel und genehmige mir eine halbstündige
Verlängerung, die mein Befinden aber nicht wirklich verbessert. Das halbe Glas
Sekt und die beiden alkoholfreien Biere, die ich mir bei der Feierlichkeit am
Vorabend hinter die Binde goss, haben dem Straßenfahrer offensichtlich
zugesetzt. Mit Mühe klettere ich aus den Federn, immerhin gibt es auch
Verpflichtungen jenseits der Rennstrecke. Die große Raubtierfütterung,
Latrinendienst am Katzenklo und der Müll muss auch noch raus. Fräulein Hanni
ist schon in Spiellaune, Friedo Mütze möchte Streicheleinheiten und der
Geschirrspüler leert sich leider auch nicht von selbst. Naja…typische
Männerarbeiten eben.
Irgendwann flegelt der
Straßenfahrer aber doch noch auf der Ottomahne und mümmelt seinem
Haferkrimskrams mit dem Schnickschnacktopping. Die App mit dem Wetterradar
zeigt ein flächiges Regengebiet, das vom Norden her aufzieht. Na klasse, den
Start der zweiten Saisonhälfte hatte ich mir etwas freundlicher vorgestellt.
Mir vergeht der Appetit! Drei Mal aktualisiere ich die Seite, dann ist ein
Irrtum ausgeschlossen. Heute wird es nass, sehr nass! Schöne Cheiße! Vielleicht
hält es bis Mittag aus - denke ich in guter Hoffnung - da klopfen auch schon
die ersten Regentropfen an die Fensterscheiben. Otto-Normal trinkt an so einem
Sonntagmorgen ein Konterbier und haut die Wampe bis zur Tour de France
Übertragung auf die Couch. Für die gestandenen Mountainbiker fängt der Spaß bei
solchen Bedingungen natürlich erst so richtig an. Dem Straßenfahrer stehen
jedenfalls die Haare zu Berge, denn Schlammrennen gehören eindeutig nicht zu
dessen Kernkompetenzen! Immerhin, fünf starke Café braucht der alte Mann, um
die Option mit dem Konterbier zu verwerfen und sich halbwegs für die anstehende
Schlammschlacht zu motivieren.
Etwas wiederwillig befülle
ich die Bottels mit Iso-Getränk und verteile großzügig Wärmesalbe auf Rücken
und den langen Gräten. Nach all der Hausarbeit und ca. einem Liter Café, liege
ich dann endlich ein paar Schläge über Ruhepuls, bin auf Betriebstemperatur und
kann wieder aufrecht stehen. Auch Anne
hat Ihre sieben Sachen gepackt, denn Sie übernimmt die Verbottelung für unser
Team, da sich heute auch Paul und Marlene angekündigt haben. Johanngeorgenstadt
erreichen wir kurz vor neun, und ergattern noch einen der begehrten Parkplätze
hinterm Loipenhaus. Ein kleiner Lichtblick, denn es ist trocken und Regenwolken
kann man noch nicht ausmachen. Dafür ist’s am Kamm ein paar empfindliche Grad
kälter wie @home in C1D. Egal, Hauptsache es bleibt noch etwas trocken. Die
Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Ich trenne mich also von der
kuscheligen Sitzheizung und hole die Startunterlagen, wo mir Rico Leistner vor
die Füße läuft, der gerade für die Kurzstrecke eingecheckt hat, und mit dem ich
mich dann ein paar Minuten verquatsche. Vorm Festzelt wird’s indes immer
dunkler, und uns schwant schon nichts Gutes. Dann wird’s ungemütlich, denn die
Regenfront erreicht auch den Erzgebirgskamm. Ein kurzer Schauer ist das
freilich nicht, soviel ist mal klar. Vorgemeldet bin ich zwar für die
Mittelstrecke, aber unter diesen Bedingungen……… Der Weichkäse meldet also für die
Kurzstrecke, und macht es sich nochmal im kuscheligen Bus bequem bis das
Gröbste vorübergezogen ist.
Während einer kurzen
Regenpause mache ich mich startklar und will gerade ins Aufwärmprogramm
starten, da geht’s schon wieder los. No way, heute muss es mal aus der Kalten
gehen, denn die Rolle habe ich nicht dabei. Unterschlupf finde ich im
Zielpavillon und mümmle erst mal einen Energieriegel. Wenn schon nicht
aufgewärmt, dann wenigstens nicht hungrig am Start stehen. Zeitnah rolle ich
zum Platz des Bergmanns, wo sich gerade die „Einführungsrunde“ zur
Startaufstellung trifft. Ich parke rechts neben Immanuel „FKJ“ Stark ein, und
bin, genauso wie alle anderen Anwesenden, etwas über dessen Hinterradbereifung
überrascht, um nicht zu sagen erheitert. Wo im Normalfall und unter diesen
Wetterbedingungen Stollen zu finden sein sollten, da ist der Reifen so glatt
wie ein Babypopo. Nein, kein Semislick, es sieht beinahe so aus als hätte FKJ
einen Rollenreifen auf der Felge. Keine Rille, keine Noppe, komplette Glatze!
Die Meute hat reichlich Gesprächsstoff….
Gute Nachrichten gibt es
auch, denn aus erster Hand erfahre ich, dass FK, nach überstandener
Wirbelsäulen OP schon wieder im Sattel saß und sein gesegneter Bratwurstappetit
wäre wohl auch noch vorhanden. Es scheint also weiterhin aufwärts zu gehen beim
Übermensch. Daumen hoch Sebastian!!!
Pünktlich halb elf geht es
dann auf die Reise und relativ gesittet den Straßenanstieg zum Butterweg
hinauf. Nach den anfänglichen Positionskämpfen macht erst mal Tretungeheuer
Markus Thiel die Pace. Ich erwische sein Hinterrad, halte mich an dessen
Sattelstütze fest und lasse mich, bis kurz vorm Kamm, von Ihm den Butterweg
hinaufschleppen. Hat er gar nicht gemerkt, bei seinem Kraftüberschuss! Hihi. So
ausgeruht kann ich dann auch Felix Fritschs Tempoverschärfung, die er kurz vor
der Kuppe ansetzt, parieren, und rolle hinter Jan Brettschneider, der sich
kurzzeitig etwas abgesetzt hat, in die Abfahrt zurück zum Zielgelände auf die
Schwefelwiese.
Positionskämpfe gibt es auch
nochmal vorm ersten Trail, den ich hinter Jan und Felix hinunterrutsche.
Schlammig ist es, und so schmiert Felix vor mir beinahe ab. Aber der kann ja
zum Glück Radfahren und so muss ich nicht vom Bock. Es bildet sich im folgenden
Anstieg eine größere Spitzengruppe, die geordnet auch den zweiten Wurzeltrail
durchrollt. Dann geht’s in den langen Anstieg, den Kamm wieder hinauf, wo nicht
mehr gekleckert - sondern geklotzt wird. Viele Möglichkeiten gibt es auf der
Runde nicht um seine Widersacher zu distanzieren, also ziehe ich hier
ordentlich am Horn. Felix in der linken, der Straßenfahrer in der rechten Spur.
Hinter uns Survival of the fittest.
Am Kamm versuche ich mich
nach vorne abzusetzen, aber Jan, der 2 Rundem fährt, lässt mich nicht gewähren,
da er sich wohl nicht sicher ist, für wie viele Runden der Straßenfahrer
gemeldet hat. Naja, hab halt vergessen Ihm den nötigen Wink zu geben, immerhin
stand ich ja auf der Liste der Vorgemeldeten Mittelstreckler. Jan und Felix
biegen vor mir in den folgenden Trail ein. Direkt hinter mir kann ich hier noch
FKJ, Mirko Gräßler und Stefan Liebl ausmachen, der mir als einziger
Kurzstreckler an den Fersen klebt. Die nächste Gruppe ist aber auch nicht weit
weg, wo die Kurzstreckler Lassek und Leistner um Anschuss kämpfen.
Im Trail verliere ich auf Jan
und Felix einige Meter, da ich schon so viel Dreck in den Augen habe, das ich
kaum noch die Spur sehen kann und mich beinahe versteuere. Ich setze, so gut es
eben geht, hinterher, und hadere etwas mit der Entscheidung ohne Brille
unterwegs zu sein. Stefan, der mir am Hinterrad klebt, hat aber auch so seine
Sichtprobleme, denn die Brille ist halt irgendwann auch mal dicht.
Da brat mir einer nen Storch,
aber FKJ ist mit „Glatze“ ganz solide unterwegs! Mit Ihm und Stefan rolle ich
zügig die lange, folgende Abfahrt hinunter. Wir überquerer gemeinsam die Halde
und auch an der Trailauffahrt zur Schanze sind wir noch immer beisammen. FKJ
fährt 3 Runden und bedarf natürlich keiner Aufmerksamkeit, also lasse ich Ihn
als ersten in die Auffahrt gehen. Stefan folgt FKJ, der Straßenfahrer heftet
sich ans Hinterrad. Stefan muss FKJ im Trail etwas ziehen lassen, der scheinbar
wirklich keine Traktionsprobleme hat, ich klemme direkt an Stefans Hinterrad,
der oben an der Schanze etwas müde wirkt, was ich nutze um die Schlagzahl
wieder etwas zu erhöhen. Stefan kann aber folgen, und so sind wir am finalen
Wiesenanstieg noch immer beisammen.
Ich rolle zuerst aufs Gras
und steigere das Tempo kontrolliert bis an die eigene Kotzgrenze. Das scheint
zu reichen, denn Stefan lässt nach einigen Metern reißen. Ca. fünfzig Meter
kann ich mich absetzen, dann erreichen wir die Rollerbahn, wo ich hinterm
Festzelt auf die Zielgerade einbiege, und, wie schon 2015, die Gesamtwertung
der Kurzstrecke gewinnen darf.
Kurz dahinter natürlich
Stefan auf dem 2. Platz, der ein wirklich starkes Rennen fuhr! Dahinter Rico
Lassek, mit der ersten Verfolgergruppe, auf Platz 3.
Ein gratis Konterbier gab`s
nach dem Rennen auch noch abzustauben (natürlich Bleifrei!), und etwas Sonne haben
wir zur Siegerehrung dann auch noch gesehen. Ich hab schon schlimmere Sonntage
erlebt!
Bleibt gesund und bis die
Tage.
Euer Straßenfahrer
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