Für mich einer der schönsten
Radsportevents überhaupt. Nicht umsonst treffen sich in Cesenatico – dem Herzen
der schönen Emilia Romagna – jährlich tausende Straßenfahrer um sich beim Nove
Colli eine gepflegte Laktatspülung zu verpassen. Für mich nun schon die siebte
Teilnahme, und nachdem ich mich im letzten Jahr erneut für die Griglia Rossa (roter
Raceblock) qualifizieren konnte, war ich entsprechend motiviert. Die Frühjahrsform
war trotz des langen Winters gar nicht so schlecht, ich fühlte mich vorbereitet
und auch die diagnostischen Leistungswerte passten. So nutzte ich das vorgelagerte,
10 tägige, Trainingslager lediglich zur Hälfte für intensiveres Bergtraining,
der zweite Teil galt dann der Regeneration am Adriastrand, denn reißen kann man
in den letzten Tagen eh nix. Da ist weniger bekanntlich mehr!
Auch wenn ich nach all den
Jahren jede Kurve der 200km Schleife kenne, die nicht ganz ungefährliche
Strecke hat es wirklich in sich und so haben wir, d.h. Altmeister Meyer, Derk aka
Kohl Helmuth und Alleinunterhalter Matthias die Trainingstouren genutzt um
besonders die gefährlichen Abfahrten zu besichtigen. Schade, denn auch in
diesem Jahr vergingen die Tage wieder viel zu schnell, aber so ist es eben
wenn`s schön ist!
Der Rennsonntag war also
schnell ran, die Verbottelungsstrategie stand und so langsam wurde es ernst.
Die Nacht vorm Rennen schlief ich nicht wirklich viel, was nicht nur am Sturm
lag der über die Adria fegte. Aber ein gewisses Maß an Anspannung gehört eben
dazu, sonst wäre es ja langweilig und als Ziel hatte ich mir immerhin die Top
30 auf der Langstrecke gesetzt, was bei der Leistungsdichte dieses Rennens
schon recht sportlich ist. Der Wecker klingelte dann 03.30 Uhr - nicht
sonderlich schlimm - denn ich lag eh schon seit Mitternacht wach und „fuhr die
Strecke ab“. Kurz die Nase aus dem Hotelfenster gestreckt, noch immer viel Wind
aber wenigstens erträglich warm für die Uhrzeit, was auch in Bella Italia keine
Selbstverständlichkeit ist im Mai. Auch der Altmeister schien nicht viel
geschlafen zu haben, jedenfalls war er pünktlicher beim Cafe wie ich, den wir
aus Zeitgründen gleich im Stehen einatmeten. 04.30 Uhr machten wir uns dann auf
den Weg nach Cesenatico. Von Milano Marittima etwa 20 Minuten mit dem Rad, bei
gleichzeitiger Vorbelastung. Kurz vor 5.00 Uhr bogen wir dann in unsere
Startblöcke ein. Andre hatte sich im letzten Jahr für Griglia Bianca (2. Weißer
Block) qualifiziert und wollte diesmal auf der 200er Runde die Qualizeit -
Gruppe Rot - 2014 erreichen. Im Training hatte er ganz gute Beine und ich gab
Ihm noch einige Tipps mit auf den Weg bevor sich unsere Wege dann trennten.
In diesem Jahr waren wohl
alle etwas zeitiger dran, und so standen im Raceblock schon ca. 200 Fahrer.
Misst, denn auch da sichert zeitiges kommen gute Plätze, was gerade auf dem
ersten 30km Flachstück entscheidend sein kann. Aber dazu später. So langsam
wurde es hell im Hafen und die Blöcke füllten sich Zusehens. Nach dem alle der
ca. 13000 Fahrer eingetroffen waren, die Begrüßungszeremonie beendet war und
der örtliche Geistliche dem Feld seinen Segen gegeben hatte, wurde der 1000
köpfige Raceblock, Punkt 6.00 Uhr, ins Rennen geschickt.
Ich kam ganz gut weg und nach
den beiden Kreisverkehren Richtung Sala ging es auf die längere Gerade in
Richtung Pisignano, wo es die ersten scharfen Tempowechsel zu meistern galt. Leider
konnte ich aus Platzgründen bis hierhin nicht weiter nach vorne fahren, was
sich nun etwas rächte, da die Tempowechsel ab Reihe 15 sehr hektisch wurden und
enorm viel Leistung abforderten. Da fährt es sich in den ersten Reihen
bedeutend ruhiger, aber ich kam einfach nicht weiter nach vorn. 3-4 Kreisverkehre
weiter, so bei Kilometer 20 gab es dann den ersten Sturz. Ca. 10 Meter vor mir
schmierten 4 Fahrer über den Asphalt bzw. quer durchs Feld und auch ich sah
mich schon im hohen Bogen über den Bügel segeln. Ich griff reflexhaft und
ziemlich hart in die Bremsen, schlidderte akrobatisch durch die einzige sich
bietende Lücke und konnte kaum glauben da nicht auch dran glauben zu müssen.
Nachdem ich durchgeatmet hatte gleich die nächste Schrecksekunde als ich meine
Vorderradbremse checkte die beim harten Anbremsen spürbar nachgab. Cheiße, war
wohl etwas zu hart, denn der Zug meiner AX Leichtbaubremse rutschte dabei 1cm
aus dem Joch. Den Bremshebel konnte ich jetzt jedenfalls bis zum Unterlenker
ziehen. Gar nicht gut wenn man mit 55 km/h über die Landstraße bolzt und noch 9
knackige Abfahrten zu bewältigen hat. Als Sofortlösung schraubte ich erst mal
den Zugbegrenzer soweit wie möglich heraus, was die Bremse zwar etwas
nachstellte aber die eigentliche Ursache natürlich nicht wirklich behob. Dazu
hätte ich schon an einem Werkstatt-Servicepoint anhalten müssen, aber da wäre
die Gruppe weg gewesen und der Zug zur guten Platzierung abgefahren! Naja, so
halbwegs konnte ich jetzt wieder bremsen, und so wollte ich die erste Abfahrt
abwarten und mal sehn wie´s geht.
Die Bremse war aber nicht
mein einziges Problem. Auch das Feld hatte sich nach dem Sturz gestreckt und
ich fand mich plötzlich in der Verfolgergruppe wieder. Die folgende Aufholjagt
ging auch nicht ganz spurlos an mir vorbei, da wir ca. 10km ackerten um wieder an
die 100 köpfige Spitzengruppe anzudocken. Kurz vorm ersten Anstieg waren wir
endlich dran, aber über Bertinoro und Polenta wurde natürlich auch nicht
gebummelt, was keine Zeit zum verschnaufen lies. Die erste Abfahrt ging dann
besser wie gedacht und im Flachstück zum Rivoschio konnte ich erst mal
durchatmen und 2 Gels verhaften, was mich wieder etwas aufbaute.
Ich hatte bereits spürbar
Federn gelassen und machte mir große Sorgen um meine Bremse und die steile Abfahrt
vom Rivoschio. Erst mal ging es natürlich in den Anstieg an dem sich das Feld
deutlich entzerrte und sich Gruppen bildeten. Ich konnte hier viele Fahrer hinter
mir lassen und oben angekommen fand ich mich zwischen 2 Gruppen wieder. Kam mir
dort ganz gelegen, da ich nun allein in der Abfahrt war und „die Reste“ meiner
Vorderradbremse in Ruhe testen konnte. Im oberen, schnellen Teil ging das ganz
gut, im unteren segelte ich beinahe in die Leitplanke. Beim harten Anbremsen
vor der letzten Serpentine biss die Vorderradbremse nun plötzlich zu und hob
das Hinterrad so weit aus, das die Zuschauer an der Leitplanke bereits Platz
für meinen Einschlag machten. Mit viel Glück und noch weniger Können fuhr ich
quasi auf dem Vorderrad durch die halbe Kurve, bevor die Erdanziehung mein Heck
wieder in Richtung Asphalt zog. Dass hier nicht schon alles vorbei war,….pures
Glück!
Nach einem kurzen Flachstück
ging es in den 3. Anstieg nach Ciola, wo ich um den Anschluss zu einer größeren
Gruppe kämpfte, den ich aber bis zur folgenden Abfahrt nicht ganz herstellen
konnte. Wie schon gesagt, eine wirklich extreme Leistungsdichte bei diesem
Rennen. Die Abfahrt in Richtung Barbotto konnte ich somit wieder allein fahren
und so langsam musste ich mir auch Gedanken machen wie es denn weitergehen
sollte. Fahren wollte ich natürlich die 200km Schleife, aber ein Blick hinüber in
Richtung San Leo war dann schon ernüchternd, denn da regnete es aus Eimern. Die
Abfahrt vom Leo nach Secchiano wäre mit defekter Bremse schon bei trockenen
Bedingungen grenzwertig, aber bei Regen und mit meinen Lightweights glatter
Selbstmord. Somit war bereits am Fuß des Barbotto die Entscheidung gefallen „nur“
die 135km zu fahren. Shit happens aber Sicherheit geht nun mal vor! Oben am Barbotto
stand wie ausgemacht Anne mit frischen Getränken die ich dringend nötig hatte. 90km
und 2100hm lagen jetzt hinter mir und die folgende 10 km lange Höhenstraße bis
Sogliano konnte ich in einer kleinen 5er Gruppe regionaler Fahrer recht zügig
hinter mich bringen. Leider bogen diese am Abzweig Sogliano auf die Langstrecke
ab, da stand der Straßenfahrer allein im Wind. Ich überlegte noch kurz meine Entscheidung
zu revidieren, aber da war ich schon vorbei am Abzweig. Mit Schwung über die
Welle in Sogliano gedrückt, 2-3 Kurven und Abfahrten, dann wunderte ich mich dass
ich nach vorn und hinten keine Fahrer mehr sichten konnte. Naja, nicht verrückt
machen lassen, ich kenne ja die Strecke und fuhr erst mal im Kampftempo weiter
auch wenn der Gegenwind mir ganz schön zusetzte. Als ich nach 5 Minuten
Alleinfahrt allerdings immer noch keine Gruppe in meiner Verfolgung ausmachen
konnte, wurde ich so langsam unruhig. Hatten die Italiener mal wieder das
Regolamento geändert und Griglia Rossa darf nur Langstrecke fahren? Als nach 5
weiteren Minuten noch immer keine Gruppe von hinten kam, hatte ich das Rennen
bereits abgeschrieben und etwas rausgenommen. So ein Misst, hätte ich bloß
nochmal die Regeln nachgelesen, dachte ich, als ich über die Schulter blickte
und eine 10 köpfige Gruppe anfliegen sah. Erleichterung! Schnell nochmal
verköstigt, dann reihte ich mich in die Gruppe ein die schon recht schnell
unterwegs war. Komisch, war ich da schneller wie gedacht unterwegs? Das 35km Flachstück
zurück nach Cesenatico hätte ich jedenfalls nicht allein im Wind bewältigen
können, die Gruppe hätte mich nach wenigen Kilometern gestellt und geparkt!
So ging jeder noch mehrmals
durch die Führung bevor es in Cesenatico ans Finale ging. Die Einfahrt auf die
Zielgerade ist immer etwas eng, also versuchte ich in Sicherer Position durch
die Kurve zu gehen was Sprinttaktisch sicher nicht die beste Entscheidung war.
Platz 6 im Gruppensprint reichte final für Platz 38 der Gesamtwertung und 10 in
der AK. In Anbetracht aller Umstände bin damit wirklich zufrieden. Im nächsten
Jahr mit hoffentlich mehr Glück.
Wer später bremst ist länger
schnell!
Bis die Tage…
Euer Straßenfahrer
Alle Infos zum Rennen guckst Du hier:
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