11.09.2016
Keine Ahnung was da gerade
für ein Film abläuft, denn das Rennrad finde ich plötzlich über mir wieder, und
die Straße nähert sich rasant von unten. Der Straßenfahrer liegt quer in der
Luft und will sich - in Sachen Style - gerade zwischen Cliffhanger und Superman Seat Grab entscheiden, da
gehen beim Aufprall auch schon die Lichter aus.
„Alles in
Ordnung?“……“HALLO“….. „Alles in Ordnung bei Ihnen?“ Ja…nee…was…?!? Langsam
komme ich zu mir und krieche mit schmerzverzerrtem Gesicht unter meinem Rad
hervor, rolle mich auf den Rücken und prüfe erst mal die Gangbarkeit aller
Gliedmaßen. Es scheint noch alles dran zu sein am Straßenfahrer, also gebe ich
dem freundlichen Autofahrer kopfnickend Entwarnung, der wohl gerade noch
ausweichen konnte, um den Dreimetermann nicht unter die Räder zu bekommen.
„Ist wirklich alles in
Ordnung bei Ihnen?“ fragt der nette Herr erneut, und macht dabei ein wirklich
besorgtes Gesicht, denn der Straßenfahrer blutet wie ein angestochenes Schwein.
Beide Handflächen, Knie, Hüfte und den Ellenbogen hat es erwischt. Die Tapete
hängt in Fetzen von den Wänden, aber das linke Handgelenk hat es wohl mit
Abstand am ärgsten erwischt. Eine massive Prellung lässt das Daumengelenk in
Zeitlupe auf eine stattliche Größe heranwachsen. Ich ahne nichts Gutes.
Kaum ist das DNF Resultat der
Vier-Hübel-Tour physisch und psychisch verdaut, da muss der alte Mann schon
wieder neue Wunden lecken. Und das nur zwei Tage nach dem diesjährigen Hübel-Desaster.
Keine Ahnung was da gerade passiert ist, und ob mich der Vorderrad-Plattfuß nun
vor oder nach diesem Kunststück ereilte. Im Endeffekt wird der Kopf schon
wissen warum er die unschönen Szenen ausblendet. Des Straßenfahrers
„Hauptspeicher“ bleibt jedenfalls vor größerem Schaden und unangenehmen
Erinnerungen bewahrt, aber es braucht beinahe eine Woche bis die linke Hand
wieder halbwegs brauchbar ist und an den Lenker passt. Immerhin, es hätte viel
schlimmer kommen können, soviel steht fest. Aber was uns nicht umbringt, …
naja, Ihr wisst schon…
Also keine guten Vorzeichen
für den ersten Spätsommerklassiker in Geyer, auf den ich mich schon seit Tagen
freue. Der Trainingsausfall ist zwar zu verkraften, aber wirklich Sorgen mache
ich mir um das Daumengelenk, das auf Schläge vom Lenker den immer gleichen NDW-Refrain
abspult: „Sternenhimmel, ich seh den Sternenhimmel, Sternenhimmel…oho.“
Selbst ist der Straßenfahrer,
denn der besorgt sich Kinesio-Tape und eine medizinische Bastelanleitung aus
dem Netz, für einen stabilisierenden Do-it-yourself-Stützverband des Daumens.
Der zweite Versuch kann sich bereits sehen lassen, und auch die Vorbelastung
läuft damit besser als gedacht. Nach 193 MacGyver Episoden ist man eben für beinahe
alle Eventualitäten des Lebens gewappnet.
***
Am Sonntagmorgen erwartet uns
in Geyer schönstes Spätsommerwetter. Geschlafen habe ich ganz gut, Anne ist zur
Verbottelung auch dabei, und die Hand scheint mit der gestrigen Basteleinlage
ganz gut klar zu kommen, denn die ist heute einigermaßen schmerzfrei. Noch
bissl Warmrollern, dann geht’s mit meinen Teamkollegen, David und Phil, in die
Startaufstellung des Mittelstreckenrennens über 60 km.
In der Einführungsrunde habe
ich irgendwie Flashback zur letztjährigen Austragung, nur das diesmal Rico
Leistner an Stelle von Patte Oettel am Hahn zieht und das Feld an der steilen
Gasse entzerrt. Oben auf dem Feldweg übernimmt dann Torsten „Mütze“ Mützlitz
das Zepter, und auch am Straßenanstieg hinterm Ana-Mare wird nochmal ordentlich
draufgelatscht, wo das Feld dann gänzlich zerreißt.
In die folgende, ruppige
Abfahrt gehe ich an ca. siebter Position und kann die Spitzengruppe hier auch
ganz gut halten. Die bandagierte Linke scheint mitzuspielen, also schließe ich
im folgenden Anstieg zügig zur Gruppe auf. Vorne dabei ist heute „Mütze“,
Daniel Kletzin, Rico Leistner, Teamkollege David, Philipp Rothe, Udo Müller und
natürlich kein geringerer als Sebastian „FK“– der Titanverschraubte
Seriensieger – Stark, der soeben mit seinem Fully und vollkommen „schmerzfrei“ die
Abfahrt vor mir hinuntergeballert ist. (ACHTUNG!!! An dieser Stelle eine
Warnung an alle Kinder, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen, mit eventuell
ähnlichen, frisch operierten Wirbelsäulenverletzungen: Bitte nicht zu Hause
nachmachen!!! Der benannte Fahrer ist
eine absolute Ausnahmeerscheinung, ein sogenannter Übermensch, um nicht zu
sagen, ein TITAN!) Vermutlich würde „FK“ auch noch Rennen bestreiten wenn er
den Kopf unterm Arm spazieren trägt. Hauptsache es findet sich nach Zieleinlauf
eine schmackhafte Rostbratwurst.
Im folgenden Anstieg muss ich
immerzu an meine lächerliche Verletzung denken und frage mich, was wohl
passiert, wenn „der Titan“ heute ernst macht, das Podest ansteuert, oder gar
gewinnt? Werden die Ihm Unterlegenen je wieder ein Rennen bestreiten können?
Fragen über Fragen, bei denen ich beinahe den Anschluss an die Gruppe verliere.
Die Beine drehen jedenfalls
ganz solide und Scotti bringt mich sicher die ruppigen Downhills hinunter. Nur
an der Führungsarbeit habe ich noch kein sonderliches Interesse, da die Gruppe
viel zu groß ist, das Tempo viel zu unruhig und die folgenden Anstiege die
Gruppe sowieso dezimieren werden.
Runde eins beenden wir noch
vollzählig, aber nach dem Anstieg hinterm Ana-Mare, bzw. der folgenden Abfahrt
ist nur noch Daniel, David, Udo Müller und der Straßenfahrer an Bord. Keine
Ahnung wo die anderen abgeblieben sind, jedenfalls sind wir nur noch zu viert. Ich
genieße die Boardmusik, pariere einige Attacken von David und Daniel, und kann
mich mit beiden, am vorletzten Anstieg der zweiten Runde, von Udo Müller
absetzten, der hier scheinbar den Anker wirft. Zu dritt geht’s auf die letzten
zehn Kilometer, wo ich mir dann aber schon die ausgefallenen Trainingseinheiten
eingestehen muss, denn an Führungsarbeit ist hier nicht mehr zu denken. Der
Straßenfahrer ist nur noch Passagier.
David wirkt noch immer
frisch, und ich gehe davon aus dass er Daniel im Finale bezwingen kann. Also
Hinterrad halten, dann hätten wir zumindest zwei Plätze auf dem Gesamtpodest
sicher, was doch ein super Ergebnis für unser Team wäre. Den Gedanken bekomme
ich nicht ganz zu Ende gesponnen, da prüft David auch schon sein Vorderrad, das
bedenklich an Luft verloren hat. Im nächsten Trail ist´s dann vorbei mit der
Herrlichkeit, denn hier muss David vom Hobel, wenn er sich nicht auf dem
folgenden Wurzelteppich seine Felge ruinieren will. Shit happens, aber
wenigstens hat er eine Kartusche und einen Schlauch dabei, also halte ich
Daniels Hinterrad und wenigstens ein Eisen im Feuer.
Daniel hängt ordentlich am
Gas und zieht uns über die letzten Waldwege in Richtung Ziel. Der Straßenfahrer
kann hier und heute wirklich nur noch mitfahren, und so signalisiere ich Daniel
nicht mehr zu attackieren, denn mit Platz 2 kann ich heute zufrieden sein. Auf
einer der letzten, langen Geraden schaue ich nochmal zurück, kann aber weder David,
noch einen anderen Verfolger ausmachen und wähne uns in Sicherheit.
Leider ist dem nicht so, denn
Udo Müller nutzt Davids Aufholjagd und lässt sich wieder zu uns heranziehen. David
hat leider doppelt Pech, denn die Luft seines Vorderreifens entweicht erneut,
worauf er die letzten Meter laufend hinter sich bringt.
Im Finale hat U. Müller dann wohl
die größten Reserven, denn der zieht gleich voll durch, wo weder Daniel noch
der Straßenfahrer kontern können, und den DSC Fahrer gewähren lassen. Dahinter Daniel
verdient auf Platz 2, der Straßenfahrer komplettiert das Podest auf Platz 3. David
schafft mit seiner finalen Laufeinlage immerhin noch Platz 4 und beweist seinen
enormen Kampfgeist. „FK“ bzw. „der Titan“ kurz dahinter auf dem 5. Platz.
Platz 5 Jungs! Dahinter…..naja….Ich
vermute bis Eibenstock werden einige Fahrer unruhig schlafen. Der Straßenfahrer
übrigens auch!
Bleibt gesund, und bis zum Samstag.
Euer Straßenfahrer