Donnerstag, 31. Mai 2018

20. Erzgebirgsradrennen Markersbach

27.05.2018


Mitten in der Nacht reißt es den rüstigen Senior aus seinen Träumen. Einmal mehr abortiert Fräulein Hanni laut maunzend  ihre Spielemaus und lässt nicht locker, bis sich der alte Mann bequemt, schlaftrunken aus dem Bett zu krabbeln und in den Flur zu kriechen, wo er das Fräulein lobend tätschelt. „Eine feine Hanni, eine ganz, ganz feine“! Das Fräulein schnurrt, beim alten Mann drückt indes die Seniorenblase. Also nochmal eben ins Bad abbiegen, einen kurzen Umweg über die Küche nehmen – weil jetzt auch der Magen knurrt – und schon endlose Augenblicke später, versucht der Straßenfahrer wieder an seiner Matratze zu horchen. An Schlaf ist jetzt freilich nicht mehr zu denken, also lausche ich dem gerade einsetzenden Gewitterguss. ….. „Komisch, denke ich …war doch gar nicht gemeldet? „...oor nee...die Sitzkissen vom Hofmobiliar“! Also wieder raus aus der Koje, in den Hof geflitzt, die Aufleger ins Trockene gerettet und mit klammen T-Shirt wieder ab ins Nest. Hmm…so nass wird das nix mit dem Einschlafen…also wechsle ich noch schnell die Trikotage. Die große Mietze neben mir scheint das alles nicht wirklich zu jucken, denn die schnurrt jetzt mit dem Fräulein um die Wette, während der alte Mann schlaflos an die Decke guckt. Toll!  Nach weiteren vier Stunden des hin und her Wälzens erlöst mich dann endlich der Wecker. Was für eine Nacht.

Trotz alledem, die Beine fühlen sich heute recht willig an, die Vorbelastung lief auch ganz gut, nur jünger….jünger wird der Straßenfahrer irgendwie nicht.

Na dann, Start frei, auf Los geht’s los, Dalli-Dalli und ab geht die wilde Lutzi. Wie immer neutralisiert bis zur Kreuzung Oberbeckenstraße, dann geht’s scharf. Wenn ich hier schreibe scharf, dann meine ich auch scharf, denn der junge Simon Weinert zieht gleich so brachial am Horn, dass man meinen könnte das Ziel befände sich unmittelbar in Sichtweite. Schon lustig wie die Meute plötzlich blau anläuft, denke ich, und bin schon heile froh als wir das erste Flachstück erreichen, bevor ich hier gänzlich zum Schlumpf mutiere. Schön wenn das Laktat nachlässt! Die Stelzen brennen. Vorm Abzweig am Waldweg will ich noch bissl weiter nach vorne fahren, werde aber etwas eingekeilt und reihe mich artig hinter Brett Jahnschneider ein, während vorne schon wieder dieser Simon am Gashahn zerrt. Der haut die Keulen ins Pedal als gebe es kein Morgen. Der Motor läuft am Drehzahlbegrenzer, und da der alte Mann den Kopf sowieso kaum noch über den Lenker bekommt, Zeit das allwissende Garmin Orakel um Rat zu fragen. Mit Kreuzblick kann ich da eine 450 erkennen, und muss mit Erschrecken feststellen dass wir hier bereits 6 Minuten Reisezeit verbuchen. Klarer Fall….Leistung ist da….aber der Wanzt zu fett! Das Orakel mahnt, dass das so nicht mehr lange gut gehen wird, und auch das Brett lässt jetzt mal lieber einen Tritt aus, um heute vielleicht doch noch mal den Col de Fichtel zu sehen.

Abgekoppelt aber lebendig komme ich oben an, klemme mich auf der Rollerbahn ans Hinterrad meines Teamkollegen Maik Baumann und stürze mich dann in die von mir so heiß geliebte Abfahrt zum Ephraimhaus, die aber heute ganz gut, meint schnell, befahrbar ist.

Im giftigen Gegenanstieg überziehe ich nicht, und klemme mich erst mal ans Hinterrad von Dr.O, der hier ein ganz ordentliches und für mich gangbares Tempo vorgibt. So wie man den Doctor eben kennt. Auch Uwe Müller schließt zu uns auf, der mir von der letztjährigen Hübel Hatz noch bestens bekannt ist. Nach etwas Erholung lösen wir uns bei der Führungsarbeit gut ab, kommen der Spitzengruppe aber nicht wirklich näher, die in Sichtweite ein beständig hohes Tempo geht.

Der Straßenfahrer hat schon bessere Tage erwischt, und bewegt sich heute deutlich unter seinen Möglichkeiten. Soviel verrät jedenfalls die zweite Korrespondenz mit dem Garmin Orakel, denn vor einer Woche konnte der alte Mann, beim Training am Auersbergkönig, noch wesentlich mehr Leistung abrufen. Verstehe wer will.

Die letzten Meter vorm Col fährt unser Doctor von vorne, kommt aber nicht wirklich weg, und so fahren wir zu dritt durch die Bergwertung, wo mir die drolligste und größte meiner drei Mietzen eine neue Bottel anreicht. Für großartig Tätschelei bleibt dem Straßenfahrer hier freilich keine Zeit, denn unser Doctor nutzt dreist die Verbottelung und gast mächtig an. Warum auch immer, so schnell kannste nicht gucken, hat sich der Doc ca. 150 Meter herausgefahren, die ich so schnell nicht wieder zugedrückt bekomme.  Auf den nächsten Metern schließt dann auch Uwe wieder zu mir auf, der sich am folgenden Reitsteig Downhill aber sauber verbremst, und durchs Grünzeug räubert. Ich glaube das kenne ich doch irgendwoher! Naja, der Uwe findet wieder zurück auf den Weg, koppelt erneut an, und im Führungswechsel sollte es doch möglich sein, den Doctor wieder einzusammeln.

Langsam sind wir jedenfalls nicht, näher kommt der Ausreißer aber auch nicht wirklich. Die beiden Gegenanstiege fahre ich mit soliden Druck und von vorne, wo mir Uwe dann signalisiert dass die Flasche bei ihm gleich leer wäre. Er hat bis hierher gut mitgezogen, also motiviere ich ihn am Hinterrad zu bleiben, und so kommen wir gemeinsam am Unterbecken an, wo der Doctor noch immer in Sichtweite kurbelt.

Am finalen Anstieg lässt Uwe dann reißen, aber die halbe Minute auf Dr.O fahre ich auf den paar Metern natürlich auch nicht mehr zu. Mit Platz 11 sicher eines meiner finstersten Resultate in Markersbach! Da hatte sich der rüstige Senior heute deutlich mehr vorgenommen. Mal sehn was der Hundertseitige - sich ständig aktualisierende Ausredenkatalog für solche Situationen bereithält. Ich bin gespannt und muss jetzt erst mal Wunden lecken! Na dann….bleibt schöne locker….und….


…Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist!

Euer Straßenfahrer


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