Dienstag, 24. Mai 2016

Perstejn Giro



21.05.2016

Da habe ich es beim Intervalltraining zur Wochenmitte wohl etwas übertrieben. Gar nicht gut, denn leichte Muskelschmerzen sind auch am Samstagmorgen noch zu spüren, während sich der alte Mann auf allen Vieren ins Bad schleppt um den halben Liter Rote Beete Saft in die Ecke zu stellen, den es gestern Abend zum Nachtisch gab. Was tut man nicht alles um an der Renntauglichkeit zu feilen. Die Nacht zum Samstag trägt leider kaum zur Erholung bei, da Fräulein Hanni mal wieder rollig ist und mit lautstarken Maunzen, nächtens, die Kater der Nachbarschaft um den Verstand bringt. Mich natürlich inbegriffen, denn ich finde mich zwei Uhr nachts im Wohnzimmer wieder, wo ich das Fräulein - wie ein Kleinkind - auf meinem Arm auf und ab wippe um es zu beruhigen. Hat mir Anne gezeigt, was auch klappt, ... denn… „Wippen beruhigt“.

Auch die Vorbelastung am Freitagnachmittag lief nicht wirklich planmäßig, denn mehr als Halbgas war nicht drin, um sich einen Tag vorm Rennen nicht noch gänzlich zuzurichten. Ich sag doch, fünfunddreißig müsste man nochmal sein, da ginge vieles leichter! 



Aber halb so wild, denn mehr als ein Vorbereitungsrennen ist heute eh nicht die Zielsetzung, was mir bereits bei der Teaminternen Streckenbesichtigung vor einigen Wochen klar wurde. Die langen und teilweise knackigen Anstiege sind zwar genau mein Ding, die steilen und ruppigen Downhill’s passen jedoch gar nicht zu des Straßenfahrers Kernkompetenzen. Macht zwar Spaß, aber ganz klar, im Rennmodus und ohne Fully geht es für mich hier nur ums „Überleben“. Die Zunge gerade in den Mund und mit viel Selbstvertrauen und noch weniger Steuerkunst die giftigen Passagen überstehen, nicht zu viel Zeit liegen lassen, und, wenn es gut läuft, vielleicht….aber nur vielleicht, die Top 10 erreichen.

Das Wetter spielt jedenfalls mit an diesem Wochenende, denn bereits am frühen Morgen strahlt die Sonne, die Luft ist angenehm warm und da es schon die ganze Woche kaum regnete, sollten die Trails heute staubtrocken sein und die technischen Abschnitte etwas entschärfen. Den Tag lasse ich ganz entspannt angehen, denn ich muss erst gegen 10 Uhr zu Hause starten um Teamkollege Phil, aka Marlene, in Annaberg abzuholen. Marlene hat Beine wie „die Dietrich“, ist ein feiner Kerl, und noch einen Meter größer wie der Straßenfahrer himself, aber für meinen Bulli stellen wir, samt unseren „26er“ Hardtails, zum Glück keine große Herausforderung dar.

Nach ANA brauche ich fünfzig Minuten, Marlene steht pünktlich auf der Bühne, die Fahrt ist wieder mal kurzweilig und die Aussicht ins Böhmische Becken phänomenal! Am Abzweig hinunter nach Perstejn, dort wo wir den Kamm überqueren, habe ich beinahe den Eindruck die Höhenzüge der Italienischen Emilia Romagna liegen vor mir. Bei gutem Wetter ist das wirklich traumhaft hier, und demnächst sicherer Bestandteil einer ausgedehnten Trainingseinheit mit den Jungs.

Die Idee mit der Top 10 Platzierung stelle ich schon während des Einparkens in Frage, da offensichtlich nicht nur alle starken und ortskundigen Locals vertreten sind, sondern auch ein Großteil der sächsischen MTB Elite angereist ist. Neben Waldmeister Heinke und Bergkönig Guido, orte ich das versammelte Scott-B24 MTN Race Team mit Lutz Baumgärtel, Thorsten „Mütze“ Mützlitz usw., Patte Oettel - der es auch mal wieder wissen will, den schnellen Steffen Wolfram, Nachwuchstalent Edgar Schurig von den Stein-Bikern, Jan Bretschneider von Pro Cycle, und und und.

Die Anmeldung geht trotz Andrang recht zügig über die Bühne und die Startgebühr von 400‎Kč (16€) ist im Vergleich zum Aufwand der Veranstaltung mehr als moderat. Wirklich klasse was unsere Nachbarn hier so auf die Beine stellen. Inklussive der beiden Schönheiten am Meldungsstand natürlich, die einer extra Erwähnen bedürfen! Opravdu pěkná holka! Nach etwas Smalltalk mit einigen Bekannten, geht es gut warmgerollert und pünktlich in die Startaufstellung und auf Los - wie immer Los. Erst mal neutralisiert bis zum Ortsausgang, vorm Abzweig in den Wald dann scharf. 



Das Profil der 42 Kilometer langen Strecke ist schnell beschrieben, denn es geht prinzipiell einmal hinauf auf den Kamm und wieder herunter – mit zahlreichen Gegenanstiegen, gefolgt von einer flachen und verspielten Passage im Wald um Perstejn. Circa zehn finale Kilometer, ohne größeren Fahrtechnischen Anspruch, bis zum Ziel auf dem Sportplatz.

Kurz nach dem scharfen Start gibt es bereits einen Sturz in den vorderen Reihen, der das Feld ins Stocken bring und weit auseinanderzieht, da der Waldweg hier nicht sonderlich breit ist. Leider ist auch Teamkollege David betroffen, dem hier wohl irgendwie die Kette vom Blatt springt, was Ihn schließlich auch zum Stehen bringt. Ich kann das Dilemma gerade so umschiffen, verliere aber wichtige Meter auf die Spitze, die ich so schnell auch nicht wieder zufahren kann, da vorne gerade die Post abgeht.

Ich finde mich also in der ersten Verfolgergruppe um Guido und Waldmeister Heinke wieder, mit denen ich die folgenden Höhenmeter erklimme. In einem der letzten Steilanstiege, kurz vorm ersten ruppigen Downhill, setzte ich mich etwas nach vorne ab, da mir schon klar ist das Guido, der heute mit neuem Fully unterwegs ist, aber auch Sascha, natürlich die bessere Downhill-Performance haben. Und tatsächlich schließt Guido am Ende des folgenden Trails, der mit einem lustigen Totenkopf als Warnhinweis gekennzeichnet ist, wieder auf. Natürlich prompt als ich in das steilste Stück einbiege rollt Goldi von hinten auf, und macht mich freundlich darauf aufmerksam: „ich solle doch etwas hinmachen…denn er habe da noch einige Tschechen im Schlepptau!“ Ich falle im Steilstück vor Lachen beinahe von Rad, aber alles geht gut, und ich muss nicht den bereitstehenden Krankentransport nutzen, der 10 Meter unter uns auf der Straße parkt - da sich hier wohl schon der Ein oder Andere die Knochen gebrochen hat.

 
Auf der folgenden ansteigenden Straßenpassage macht dann erst mal Guido die Pace, bevor ich mich im letzten, langen Anstieg vorm Kamm von Ihm und Sascha, der auch noch mal aufschließt, absetzen kann. Oben angekommen, gibt es von Davids Vater eine frische Bottel, die ich auch dringend benötige, denn ich habe leer und die Luft ist trocken, an diesem herrlich sonnigen Samstag. Meinen Vorsprung auf Guido und Sascha taxiere ich hier auf knapp eine Minute, also keine Zeit die Beine hängen zu lassen.

Weiter geht es erst mal flach über holprige Waldwege, ein paar lustige Trails hinunter, und auf ein flaches Straßenstück, wo Edgar Schurig in Sichtweite kommt, den ich wenig später auch einhole. Zusammen machen wir erst mal ordentlich Meter, da wir abwechselnd durch die Führung gehen. Wir rollen ein paar Trails hinunter, wo ich recht schnell merke dass ich Edgars Tempo in den technischen Stücken nicht wirklich halten kann, und koppele vorsichtshalber ab, denn ich muss Montag wieder zur Arbeit.

In einer der letzten, steilen und ruppigen Passagen kommt dann auch wieder Guido mit seinem Fully, quasi im Sturzflug, von hinten angeballert. Bremsen hat er scheinbar nicht, und sehr kontrolliert sieht das auch nicht aus. Jedenfalls ist er innerhalb weniger Sekunden an mir vorbei und wieder außer Sichtweite. Was für ein Teufelskerl!  Ich habe von dem ganzen Geholpere mittlerweile nur noch Pudding in der Ärmchen, und lasse es so schnell laufen wie es eben noch geht. 


In der flachen und verspielten Schleife um Perstejn herum, drücke ich dann nochmal ordentlich aufs Pedal, was auch ganz solide läuft, da mir heute, wie schon gesagt, nur die Arme brennen, als hätte ich fünfzig Zentner Kohlen eingebracht. Auf den letzten Kilometern kann ich sogar noch einen Tschechischen Fahrer abstellen, dann erreiche ich auch schon die finale Stadionrunde, wo ich mit 2:05:00 Std. und nur 45 Sekunden hinter Guido einlaufe, den ich heute leider nicht mehr stellen kann. 



Am Ende also „nur“ auf Platz 15 überlebt, aber wer nichts erwartet, der wird ja auch nicht enttäuscht. Ich bin damit jedenfalls zufrieden, besonders da die aufgezeichneten Leistungswerte recht solide aussehen, der Straßenfahrer Sturzfrei blieb und wieder einiges dazugelernt hat. Spaß hat es jedenfalls gemacht, und mal ehrlich….nur das zählt!

Bis nächste Woche in Markersbach, da braucht es wieder Beine!

Bleibt schön gesund und bis die Tage.

Euer Straßenfahrer

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