Dienstag, 31. Mai 2016

18. Erzgebirgsradrennen Markersbach



29.05.2016

Der Sonntag beginnt so, wie der Samstag endet. Mit allgemeiner Müdigkeit. Die Pendelei, die arbeitsreiche Woche in LE, die derzeitigen Wetterkapriolen, das greise Alter oder die längst überfällige Regenerationswoche. Keine Ahnung. In Summe finde ich mich nach dem Frühstück lustlos auf der Couch wieder, wo es mehrere Anläufe braucht um den Allerwertesten aus der Sauce zu hieven. Nach fünf doppelten Café kann ich endlich Ruhepuls messen und packe meine sieben Sachen für das heutige Gemetzel am Col de Fichtel.

Wirklich viel Zeit ist an diesem Morgen nicht, denn ab ca. 9 Uhr wird es erfahrungsgemäß eng, mit der Parkplatzsuche am Ferienhotel in Markersbach. Da heißt es: zeitiges Kommen sichert gute Parkplätze. Somit also kein wirklich entspannter Start in den Tag, keine Folge Columbo und auch kein Verdauungsschläfchen auf der Ottomane. Nicht mal für einen finalen Café reicht die Zeit, denn ich habe auch noch Toilettendienst auf dem Katzenklo. Wirklich beachtlich was unsere beiden Raubkatzen über Nacht da so hinterlassen haben. Da versagt selbst der angenehme Babypuderduft der Katzenstreu! Puhh. Der Straßenfahrer macht sich krumm, das Fräulein Hanni liegt indes gechillt auf dem Duschvorleger und bestaunt Ihr fleißiges Personal beim Latrinendienst, während Friedo Mütze in der Küche schon ungeduldig am Futternapf kratzt und dabei maunzt als wäre schlimme Not. Der Straßenfahrer eilt zu Hilfe. Für die beiden Gourmets gibt’s Fischfilet mit Schnickschnack in Sauce, und, weil Sonntag ist, ein Schälchen Katzenmilch als Dessert. Dann noch etwas kraulen…na klar!

„Einmal morgens von der Katze reingelassen, gefüttert und gestreichelt werden und sich ins Bett legen, während sie zur Arbeit geht.“ Was für ein Leben! 



Die notwendige Verbottelung auf dem Col de F ist leider noch in der Schwebe, aber das sollte sich schon irgendwie ergeben, denn Anne hat frei und ist auch mit von der Partie. Zum Abschied gähnt uns Mütze satt und schlaftrunken hinterher, der Straßenfahrer gähnt zurück. Auch die große Mietze gähnt. Alle sind müde heute, aber bevor jetzt noch jemand den Vorschlag bringt, sich nochmal in die Säche zu legen, sitzen wir auch schon im Schlafwagenabteil des Erzgebirgsexpress nach Markersbach. 






Das Erzgebirgsradrennen ist das erste Vereinsrennen des RSV-Erzgebirge, somit sind die Startunterlagen, nach Voranmeldung über den Verein, zügig ausgefasst und einen der begehrten Parkplätze ergattern wir dann auch noch. Genaugenommen zwei, denn ich parke etwas ungeschickt, und so findet auch Teamkollege Phil aka Marlene noch einen Stellpatz in unseren Reihen, dessen Auftritt sich heute etwas verzögert. Vermutlich Lampenfieber, da Marlene, nach überstandener Krankheit, immer noch etwas mit der Wettkampfform hadert. Trotzdem meldet auch er couragiert  für die große Fichtelbergrunde, wo ich Ihm prinzipiell schon ein gutes Top 20 Resultat zutraue. In guter Verfassung auch Top 15, aber die große Runde ist diesmal wirklich sehr stark besetzt, und auch Marlene hat heute keinen wirklich guten Tag erwischt und jammert beinahe so viel der Straßenfahrer himself. Unsere Getränkeversorgung ist jedenfalls schnell organisiert, denn Kerstin, die Herzdame meines Trainingskollegen Ron, verbottelt die Jungs von der Rad-Fabrik und bildet mit Anne eine Fahrgemeinschaft zum Fichtelberg, wo die Damen den Herren frische Getränke servieren werden. Sehr nett! Nach dem Warmrollern schauen wir noch beim Start der kürzeren Hundsmarderrunde vorbei, wo Teamkollege David gerade die Spitzengruppe in den Anstieg zum Oberbecken führt. Schon beim Zuschauen wird mir ganz schwindelig, da der Blutdruck wohl gerade wieder am absacken ist. Ich fülle also kurz vorm Start noch eine halbe Kanne Café nach, dann sind die Äugelein endlich offen genug um in die Startaufstellung zu finden.

Der Start erfolgt neutral und gesittet, in der ersten Kurve wird freigegeben, angezogen und bei einigen bereits überzogen. In zweiter Reihe genieße ich erst mal Windschatten, denn es geht recht flott die Straße zum Oberbecken hinauf. Kurz vorm ersten Abzweig springe ich etwas weiter nach vorne und sortiere mich hinter Sebastian „FK“ Stark ein, der hier das Tempo vorgibt. Es geht heute recht human hinauf bis zum Plateau, wo die Pace dann aber doch etwas anzieht, da jeder eine gute Position für die Abfahrt zum Ephraimhaus ergattern möchte.

Der Straßenfahrer sortiert sich an fünfter Stelle, direkt am Hinterrad von Bergkönig Guido ein, und trifft heute nahezu die Ideallinie, auf der nicht ganz ungefährlichen Abfahrt. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 74 km/h reicht das heute für einen 3. Platz des Downhill Segmentes bei STRAVA! Immerhin, damit liegt der Straßenfahrer in der ewigen Bestenliste nur schlappe 2 Sekunden hinter Markus Werner! Markus Werner!!! Wer kennt Ihn nicht, den sympathischen, mehrfachen Deutschen Masters Meister im XCO und Marathon, der mit viel Understatement den wohlverdienten Palmarès auf seinem Hundefänger spazieren fährt. Sollte ich mal so einen Bekanntheitsgrad erreichen, oder gar einen Deutschen Meistertitel im Lotto gewinnen, dann wäre ich nicht so bescheiden. Im Fall der Fälle, sprecht mich bitte nur noch mit Sie an!

Die schnelle aber kontrollierte Abfahrt überlebe ich in der Spitzengruppe, aus der sich FK, erwartungsgemäß, bereits nach wenigen Metern Gegenanstieg nach vorne absetzt. Bevor die Meute sich richtig sammeln kann, durchpflügt dann auch noch Straßenfahrer Robert Walther die Verfolgergruppe und schließt wenig später zu FK nach vorne auf. Ich zucke kurz mit dem rechten Bein, besinne mich dann aber der aktuellen Leistungswerte, die mir Garmin alle 3 Sekunden aktualisiert und schlage mir den Gedanken gleich wieder aus dem Kopf.

Ich beschließe nichts zu überstürzen, und mache es mir erst mal in der Verfolgergruppe bequem, wo man sich kennt. Dabei sind Patrick „Patte“ Oettel, Jan Brettschneider (ProCycle), Bergkönig Guido (Tbr), Alexander Loos (Merkus Druck) der die letzte Abfahrt auf einem Crosser überlebt hat, und auch der junge Christian Schröder (Tbr), der nach einigen Minuten zu unserer Gruppe aufschließt. Christians Training verfolge ich schon seit einiger Zeit, und bin nicht überrascht dass sich meine Vermutung am heutigen Renntag bestätigt, denn der sechzehnjährige Rookie macht einen sehr starken Eindruck.

Mit mehr oder weniger gut funktionierenden Führungswechseln, klettern wir Meter um Meter in Richtung Col de Fichtel. Auch Thorsten „Mütze“ Mützlitz ist jetzt irgendwie dabei, und irrt ohne Startnummer in, neben, vor und hinter der Gruppe herum, schießt Selfies und hält unsere Reisegruppe mit Smalltalk bei Laune, während er diese Phase des Rennens wohl als Trainingseinheit missbraucht. Wirklich eingreifen ins Renngeschehen tut er dabei natürlich nicht, also lassen wir Ihm seinen Spaß.

Das von der Gruppe angeschlagene Tempo kann ich gut mitgehen, genieße die Bordmusik und die angenehm warme Frühsommerluft, als mir im steilsten Stück des gesamten Anstieges beim Schaltvorgang die Kette von Blatt springt, was mich zwei Mal von Bike zwingt, denn ich lege die Kette beim ersten Versuch nur halbherzig auf, um keine Zeit zu verlieren. Shit happens! Die Gruppe attackiert hier freundlicher Weise nicht, aber Federn lasse ich trotzdem einige, beim Zudrücken der ca. zweihundert Meter, die sich der Straßenfahrer mit dieser Aktion eingehandelt hat. Eine Glückliche Situation hingegen für „Sportsmann“ Ronald Kunz, der so, in des Straßenfahrers Windschatten, den Anschluss zur ersten Verfolgergruppe schafft. Danke…Bitte…ein feiner Kerl unser Ronald!

Ich koppele also mit Ronald im Schlepptau wieder an, lasse einige Führungswechsel aus, und kann mich auf den folgenden Flachstücken ganz gut regenerieren. Den finalen Anstieg zum Fichtelberg fährt Rookie Christian beherzt von vorne, und bringt dabei schon einige in den tief roten Bereich. Ganz oben gibt’s von Anne die ersehnte Bottel mit kalter Cola, für die finalen zwanzig Kilometer zurück nach Markersbach. Unsere Omas warnten uns zwar immer vor dem hastigen Trinken kalter Cola, aber man(n) muss im Leben auch mal was riskieren, oder? Auch wenn das nur ein paar Schluck kalter Amibrause sind.

Oben gehe ich an Christian vorbei, drücke etwas aufs Pedal und fahre den Reitsteig Downhill von vorne. Der läuft ganz gut heute, aber bei einer Spitzengeschwindigkeit von 82 km/h wird es trotzdem so langsam Zeit für den nächsten Abzweig anzubremsen. Der nähert sich rasant, denn die Reifen wollen nicht wirklich in den losen Kies beißen und verzögern nur halbherzig. Knapp wird es, sehr knapp, aber der Straßenfahrer behält die Nerven und Scotti den Lack.

Auf den folgenden Drückerstücken passiert nicht wirklich viel, aber ich ahne schon, was der erste richtige Gegenanstieg bringen wird, wo Christian – der immer noch sehr frisch wirkt – erneut das Gas stehen lässt. Irgendwie kann ich mich an seiner Sattelstange festhalten und mitgehen, während in den hinteren Reihen ums Überleben gekämpft wird. Guido braucht auch ein paar Sekunden bevor sein Diesel das Gas annimmt, aber auch er kann noch zu uns aufschließen.

Christian zieht uns flott über die Kuppe, dann ist es aber auch schon vorbei mit dem Feuerwerk, denn hier verabschiedet sich nicht nur ein Großteil unserer Gruppe, sondern auch die Luft aus Christians Hinterreifen. Diagnose: Massiver Plattfuß! Er nimmt die Situation mit Fassung, Guido und der Straßenfahrer verabschieden sich höflich und mit viel Respekt vom Youngster.

Ein großes Einladungsschreiben braucht Guido an dieser Stelle natürlich nicht, und klemmt sich nach kurzem Wink sofort an des Straßenfahrers Hinterrad, bevor ich uns wieder auf Reisegeschwindigkeit bringe. Bei Guido braucht`s da nicht viele Worte, und so setzen wir uns mit gleichmäßigen Führungswechseln recht schnell von der Gruppe ab. Wir harmonieren wirklich gut, machen ordentlich Druck und sehen auf einer der längeren Geraden plötzlich Robert Walther, der scheinbar den Anker geworfen hat. Zum Ziel sind es hier noch wenige Kilometer, und sollten wir Robert wirklich noch stellen, dann wären wir wieder im Spiel um die beiden Plätze auf dem Gesamtpodest.

Wir lassen keinen Tritt aus und gehen beide gut durch die Führung. Aber nix, Robert kommt einfach nicht mehr in Sichtweite. Dann erreichen wir auch schon die kurze, holprige Abfahrt zum Unterbecken, wo ich eine kleine Chance wittere, mich noch von Guido abzusetzen, der heute mit Starrgabel unterwegs ist. Ich erhöhe etwas die Pace und lasse es ordentlich laufen, aber Guido hat keine Mühe die wenigen Wellen auszufedern und schließt wieder auf. Die letzten Meter rollen wir im Standgas, nehmen noch einen Schluck aus der Bottel, legen uns eine Strategie zurecht und biegen Seite an Seite in den finalen Anstieg ein, der die Entscheidung um Platz 3 und 4 bringen muss.

Ich vermute meine Stärke heute in einem langen, kontrollierten Angriff und eröffne das Finale bereits am Fuß des Anstiegs. Mein Antritt bringt mich einige Meter in Führung, die ich versuche konstant und kontrolliert zu halten. Auch Robert kommt plötzlich wieder in Sichtweite, der jetzt scheinbar doch noch den Anker geworfen hat. Ich erhöhe etwas die Schlagzahl, aber auch Guido zieht jetzt ordentlich am Horn, schließt auf, und schiebt sich auf den letzten Metern des Anstiegs am Straßenfahrer vorbei, der hier aber nicht mehr kontern kann. Im Sekundentakt rollern wir völlig blau über die Ziellinie und haben fertig. Fix und fertig! 


FK gewinnt natürlich souverän und wartet seit geschlagenen 4 Minuten auf die Überlebenden. Robert rettet mit Plattfuß und sehr knapp den 2. Platz ins Ziel, Guido komplettiert das Gesamtpodest auf Platz 3. Der Straßenfahrer erlebt ein Déjà-vu, und belegt zum dritten Mal in Folge einen etwas undankbaren 4.Platz. Darüber kann man sich ärgern oder freuen, aber wie auch immer: Sonne gab es heute satt, starke Fahrer, lange Anstiege, viel Laktat und jede Menge Spaß! Und mal ehrlich…nur das zählt!

Na dann, bleibt gesund und bis die Tage.

Euer Straßenfahrer

Weitere Ergebnisse und alles rund ums Rennen, guckst Du hier:


1 Kommentar:

stunni hat gesagt…

Sehr langer und interessanter Bericht. ;) Hier liest man gerne wieder !