27.08.2017
Der alte Mann ist mal wieder
unausgeschlafen. Wiederwillig, aber immerhin pünktlich, krieche ich aus dem
Nest. Es ist gerade mal sechs Uhr in der Früh, wo in C1D noch kein Hahn kräht.
Dunkel ist es draußen auch noch, aber wir steuern ja auch Vollgas dem Herbst
entgegen. Auch Friedo Mütze und das Fräulein Hanni wollen heute nicht so
richtig in die Gänge kommen, und halten die Maus noch erstaunlich flach. Viel
Zeit gibt es an diesem Sonntagmorgen eh nicht zu verplempern, denn bis
spätestens 9:10 Uhr sind die Startunterlagen zur heutigen Erzgebirgs-WM
auszufassen. Von C1D nach O-tal braucht es eine gute Stunde, sofern man die
StVO beachtet, was dem Straßenfahrer heute - mehr oder weniger - gelingt.
Draußen ist es noch trübe, dafür angenehm warm, und trocken sollte es heute
auch bleiben, so jedenfalls die Vorhersage. Beste Bedingungen also, für die 21.
Hübel Hatz durchs schöne Erzgebirge, oder a Haamit - wie e altor Arzgebirglor socht.
Für den Straßenfahrer ist es
die achte WM-Teilnahme, und mittlerweile fester Bestandteil jeder MTB-Saison,
denn man muss Sie einfach lieben, die Tour! Erster Preis der Schinderei ist der
Titel des Bergkönigs, für den in diesem Jahr so einige Protagonisten hart
trainiert haben. Die Startaufstellung ist also gut besetzt, und zu erwarten ist
ein schnelles Ausscheidungsfahren, im Kampf um den WM-Titel.
Auf los geht’s los, und wie
immer recht zügig in den giftigen Anstieg der Vierenstraße hinein. Ganz vorne
zieht Trainingskollege Ronny „Ron“ Schmidt so massiv am Horn, das der
Straßenfahrer nur noch den Kopf schütteln kann. Ich sehe aus wie ein
Wackel-Dackel und bin spätestens hier hell wach, denn das Herzl bubbert und
pumpt das erste Laktat durch den greisen Körper. Was Ron da vorne veranstaltet
ist mir unklar, eine Bergprämie ist dort jedenfalls nicht ausgeschrieben, aber
da geht’s auch schon in die erste kurze Abfahrt, wo ich tief durchschnaufe - um
das Hirn mit frischem Sauerstoff zu belüften.
Dann geht’s auch schon wieder
und direkt in den Wald, wo ich mich in ca. fünfter Reihe sortiere bzw.
einsortiere. Tendenziell geht’s bis zum Bärenstein ja nur bergab, und so
besteht die aktuell größte Herausforderung darin, den aufgeschmissenen
Kieselsteinen meines Vordermannes auszuweichen. Die knallen dem Straßenfahrer
mit beachtlicher Wucht gegen die Zwölf, worauf ich mir erst mal ein anderes
Hinterrad suche, um nicht noch einen Zahn oder gar das Augenlicht zu verlieren.
Aua. Aber auch das Gehör schmerzt, denn eine Reihe hinter dem Straßenfahrer
ullpert der „gestörte Polofahrer“(wie Ihn Guido liebevoll nennt) durchs Feld,
und kommentiert die Steuerkünste von Markus Thiel, dem Tretungeheuer aus Aue,
der sich gerade im Hinterrad des Vordermannes aufhängt. Das kann schon mal
passieren, wenn es eng wird, aber der gestörte Polofahrer lässt nicht locker
und kommentiert lauthals. Markus ist natürlich not amused, aber keine Sorge
Markus, es geht ja bald bergauf…
Am Bärenstein geht’s dann
endlich scharf, die Schlagzahl erhöht sich rapide, und wenn man vorne dabei
sein will, dann darf man hier nicht trödeln. Der alte Mann trödelt nicht, holt
sich oben die Kennzeichnung seiner Startnummer ab, und donnert im Eiltempo den
Hübel wieder hinab – um den Anschluss zur Spitze nicht zu verlieren. Unten, auf
der Hauptstraße angekommen, schnaufe ich schon wieder durch, und schaue mal in
die Runde derer, die es heute wirklich ernst meinen. Da ist natürlich Dr. O –
in nahezu Bestform; das Tretungeheuer – Markus Thiel; Ex-Teamkollege David
Seidel – der mit schmaler Taille heute sicher keine Gefangenen machen will; die
Nachwuchshoffnungen – Maximilian Langhans und Jonas Hummel; der Gruppenälteste
– Sven Mehner – der scheinbar auch ganz gut trainiert hat; und natürlich meine
Teamkollegen Sebastian Stark aka „FK – der Unverwüstliche“; Guido – „der Peter
Frankenfeld der Westerzgebirgischen MTB-Szene“ – Assmann – samt dessen Ziehsohn
und TBR-Nachwuchstallent Christian Schröder.
Die ersten Verluste hat die
Gruppe bereits in der Abfahrt nach Königswalde zu verzeichnen, denn Maximilians
Federgabel quittiert ihren Dienst. Das durchschlagende Ergebnis ist ein
Reifenschaden, der Max dazu nötigt unsere Gruppe, wohl oder übel, ziehen zu
lassen. Schade für Max, der sich mit solider Form so einiges vorgenommen hatte.
Aber so kann er nun mal sein, unser Sport.
Den Abzweig zum Marktsteig
verpasse ich diesmal nicht, dafür aber den Anschluss im folgenden Anstieg - die
olle Plattenstraße hinauf in Richtung Col de Pöhl. FK, David, Christian, Dr. O
und auch Markus lassen hier das Gas stehen, worauf sich unsere Gruppe
schlagartig dezimiert. So einfach gibt sich der Straßenfahrer, der heute sicher
nicht in Bestform angetreten ist, aber auch nicht geschlagen und drückt sich –
zusammen mit Jonas Hummel – zurück zu den Führenden, die wir am Ende der
Plattenstraße auch erreichen.
Wie queren das kleine
Industriegebiet, koppeln wieder an die Spitzengruppe an, und sehen gerade noch
wie Tretungeheuer Markus und Guidos Ziehsohn den Abzweig zum zweiten Hübel
verpassen und die Alte Poststraße weiter Stadteinwärts brettern. Verstehe ich
nicht, denn die Strecke ist doch wirklich super ausgeschildert in diesem Jahr.
Vorne am Anstieg wartet Anne, die heute das komplette TBR-Catering übernommen
hat. Der alte Mann fasst sich eine frische Bottel von seiner Liebsten und folgt
den Führenden in den zweiten Anstieg. Ganz vorne bolzen David und FK ein
beachtliches Tempo, ein paar Meter dahinter kurbelt Dr. O, verfolgt vom alten
Mann – der die Lücke zu Dr. O einfach nicht zugeleiert bekommt. Oben gibt’s die
zweite Startnummernkontrolle, dann folge ich Dr. O in Alleinfahrt – und so
schnell es halt geht – denn auch der Doctor orientiert sich nach vorne, und
versucht wieder zu FK und David aufzuschließen. Jonas hat im Anstieg irgendwie
abgekoppelt, was den alten Mann jetzt ganz schön in die Bredouille bringt. Der
hängt zwischen den Stühlen, denn Doc ist plötzlich außer Sichtweite, und ob es
sich lohnt auf Jonas zu warten ist irgendwie unsicher. Und wo in aller Welt
bleibt Guido? Sein Selbstzünder müsste doch längst auf Betriebstemperatur sein?
Fragen über Fragen, ….und der Straßenfahrer steht plötzlich allein im Wald.
Schöne Cheiße.
Ich entscheide mich zwar die
Verfolgung vorerst allein und kontrolliert fortzusetzen, dabei nicht zu
überziehen und ein Auge nach hinten offen zu halten, aber den Rest der Strecke,
und das sind noch gute 30 Kilometer, in Alleinfahrt zu bestreiten, darauf hat
der Straßenfahrer heute echt Null-Bock. Jonas koppelt dann in Cunersdorf wieder
an, aber auch Guido, Christian und – man höre und staune – der starke Sven Mehner können im Sehmatal
wieder andocken. Das soll mir recht sein, denn auf den Drückerstücken sind wir
als Gruppe sowieso schneller unterwegs. Jonas ist einverstanden, also nehmen
wir kurz raus – und lassen das Trio auffahren.
Relativ harmonisch erklimmen
wir den Scheibenberg, passieren die Bergkontrolle, und gasen hinunter nach
Markersbach, wo David Seidel mit Reifenschaden im Wald steht. Der hat einfach
kein Reifenglück und selbst die Snack Skin Variante macht Ihm heute einen
Strich durch die Rechnung – denn die hat gerade einen Nagel gefressen. Wirklich
schade für David, denn mit seiner aktuellen Form wäre da heute sicher so
einiges möglich gewesen. Ich wiederhole mich nur ungern, aber, so kann er nun
mal sein, unser Sport.
In Markersbach gibt’s nochmal
frische Getränke von der Liebsten, dann folgt der ekelhafte Anstieg zum
Oberbecken, den Roßbachweg hinauf. Irgendwie haben alle schon sichtlich
gelitten, und so gibt es hier keine nennenswerten Tempoverschärfungen. Das
Oberbecken umrunden wir zügig, die Abfahrt zum Ephraimhaus ist halt die Abfahrt
zum Ephraimhaus, wo im Tal dann auch die letzte Startnummernkontrolle des Tages
erfolgt. Dann geht’s in den finalen Anstieg zum Col de Fichtel hinauf.
Am Friedrichsbachweg gehen
wir zwar abwechselnd durch die Führung, das Tempo ist allerdings kaum noch
Renntauglich. Alle hängen – mehr oder weniger – in den Seilen, und auf den
längeren, einsehbaren Geraden ist Dr. O, geschweige denn FK, nicht mehr
auszumachen. Der Drops nach vorne ist also gelutscht, aber immerhin….Platz 3
sollte aller Voraussicht nach aus unserer Gruppe hervorgehen. Ein Mindestmaß an
Anreiz ist also noch präsent.
Oben am Hundsmarderflügel
zähle ich nochmal durch, denn irgendwie fehlt …..: „wo ist eigentlich
Christian“?...frage ich in die Runde, was sich mit allgemeinen Kopfschütteln
beantwortet. Keine Ahnung wo er abgeblieben ist, am Kontrollpunkt war er noch
da, also muss man sich wohl keine Sorgen machen, denn ein Sturz während der
Abfahrt kommt ja nicht in Frage. Scheint also einfach hinten rausgefallen zu
sein, ohne sich bei Ziehvater Guido abzumelden. Meuterei!
Zu viert erreichen wir die
Rollerbahn, wo jeder nochmal durch die Führung geht – wenn man das so nennen
will – denn wirklich Tempo machen wir hier nicht. Man hat beinahe den Eindruck
– dass sich jeder auf den finalen Sprint vorbereitet, was dem Tempo und
besonders unserer Fahrzeit nicht wirklich zuträglich ist. Bei 3:23 rollen wir
noch immer auf Asphalt, und ich vermute das Dr. O. – nach dem man normalerweise
die Uhr stellen kann – gerade die Ziellinie überquert.
Als wir die Wellenschaukel
erreichen bin ich mir dann nicht mehr so sicher, ob hier wirklich gepokert
wird. Scheinbar haben wirklich alle fertig, also fahre ich von vorn – um mal zu
sehn. Viel Druck kann ich zwar nicht machen, denn auch der Straßenfahrer steht
kurz vor den Krämpfen, aber jetzt zeigt sich endlich, wer heute noch Interesse
an einer Platzierung hat. Guido und Sven machen keine Anstalten, aber Jonas
leckt Blut und scheint noch einige Körner aufgespart zu haben. Der hat sich in
mein Hinterrad verbissen, setzt am finalen Steilstück die Attacke, und schiebt
sich langsam aber sicher am Straßenfahrer vorbei. So gern der alte Mann auch möchte,
Jonas Attacke kann ich heute nicht mehr kontern.
Nach hinten brennt nichts mehr
an, also rolle ich entspannt und direkt hinter Jonas aufs Plateau. Jonas wird
somit verdient Dritter, der alte Mann überquert als Vierter die Ziellinie.
Direkt dahinter fährt Guido auf Platz Fünf, und Sven auf Platz Sechs.
Robodoc ist heute 15 Sekunden
schneller wie programmiert, und wird mit 3:22:45 Std. Zweiter.
FK ist eben FK, denn der
siegt und fährt mit 3:17:08 Std. mal eben einen neuen Weltrekord!
Wer seine Geschichte kennt
und sich jetzt fragt wie er denn sowas anstellt, ….. Keine Ahnung, da wird man
mit Kopfschütteln einfach nicht fertig!
Der gestörte Polofahrer haut
heute übrigens auch einen raus, und schenkt Lisa Schubert, der schnellsten
Dame, satte 15 Minuten ein. Respekt!
Na dann Freunde, immer schöne
locker bleiben, das Beste hoffen und aufs Schlimmste gefasst sein.
Denn so ist er nun mal, unser
Sport.
Bleibt Gesund und bis die
Tage
Euer Straßenfahrer
Alles rund um die WM, guckst
Du hier: http://www.huebeltour.com/
1 Kommentar:
Ein traumhaftes Stück WM-Berichterstattung. Vielen Dank und liebe Grüße, Erik 4H Team
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